Dänemark-Reise wird zum Verhängnis

Ludwig von Gans
Von Angelika Rieber

Die Villa Gans in der Königsteiner Straße ist nicht nur Oberurselern bekannt. Seit 1994 zieht das „Theater im Park“ neben der Villa im Sommer Theaterbegeisterte aus der Umgebung an.

Ursprünglich wurde die Villa 1909 für die Familie von Gans erbaut. Ludwig Wilhelm von Gans wurde am 6. August 1869 in Frankfurt am Main geboren als jüngster Sohn des Fabrikanten Fritz Gans. Der Großvater war Mitbegründer der Cassella Farbwerke. Wegen seines sozialen Engagements wurde Fritz von Gans 1912 in den Adelsstand erhoben. Damit erhielt auch sein Sohn Ludwig samt Nachkommen den Adelstitel.

Familie von Gans (Bild: Privat)

Die Familie 1915, vor der Vertreibung ins Ausland: Herbert von Gans, sein Vater Ludwig. Mutter Helene, die Töchter Gertrud und Marguerite. (Bild: Privat)

Die Familie wird christlich

Wie sein Bruder Paul studierte Ludwig von Gans Chemie und arbeitete zunächst im väterlichen Unternehmen. Geschäftsreisen führten ihn durch den Balkan bis nach Izmir. In einem seiner Reisebriefe aus dem Jahr 1895 be-glückwünschte er die Eltern, die Religion ihrer Kinder angenommen zu haben. Ludwig Gans und sein Bruder Paul hatten bereits einige Zeit davor den christlichen Glauben angenommen.

Ludwig von Gans blieb nicht im väterlichen Unternehmen, sondern gründete selbst ein Chemieunternehmen, die Firma Pharma-Gans, die zunächst in Frankfurt beheimatet war. 1910 zog der Chemiker mit seiner Familie nach Oberursel. Gleichzeitig baute er dort ein „Pharmazeutisches Institut“ auf und verlegte den Sitz seiner 1897 gegründeten Firma Pharma-Gans nach Oberursel, wo er einen Neubau im Zimmers-mühlenweg bezog. Die äußerst erfolgreiche Firma stellte unter anderem Seren für Impfstoffe und Insulin her und wurde bei der Hygiene-Ausstellung in Dresden für ihre Produkte mit Goldmedaillen ausgezeichnet. Auch auf sozialem Gebiet zeichnete sich Ludwig von Gans aus. Seit 1912 gab es für die Beschäftigten seiner Firma eine Gewinnbeteiligung.

1909 wurde der Architekt Otto Bäppler von Ludwig von Gans beauftragt, an der Königsteiner Straße in Oberursel ein Landhaus zu bauen, die „Villa Kestenhöhe“, wie sie damals wegen des dortigen Kastanienhains genannt wurde. Das im englischen Landhausstil konzipierte Haus war luxuriös ausgestattet und von einem Park mit exotischen Baumarten und Baumzüchtungen aus aller Welt umgeben.

Bekannt wurde Ludwig von Gans auch für sein Engagement in der Oberurseler Kommunalpolitik. Von 1913 bis 1919 war er Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Die Familie, Ludwig von Gans, seine Frau Elisabeth, geborene Keller, sowie die Kinder Herbert, Armin, Marguerite und Gertrude, gehörte der evangelischen Christuskirchengemeinde an. Arnim wurde 1917 in der Christuskirche getauft, seine Schwester Gertrud 1925 konfirmiert. Marguerite heiratete 1922 in Oberursel. Die Verbundenheit mit der Christuskirche zeigte Ludwig von Gans durch eine großzügige Spende. Nach Aussagen seines Enkels hat er der Kirche eine Glocke gespendet. Andere Quellen sprechen von einer Uhr. 1928 endete die Zeit der Familie Gans in Oberursel. Hintergrund war ein verloren gegangener Patentstreit der Firma mit den Cassella-Werken und den IG Farben, außerdem trafen die Firma die Folgen der Weltwirtschaftskrise. Sie ging in Konkurs. Die Villa wurde verkauft und Ludwig von Gans kehrte wieder in seine Geburtsstadt Frankfurt zurück.

Neben dem Verlust seines Vermögens stellten die politischen Veränderungen in Deutschland einen weiteren tiefen Einschnitt im Leben von Ludwig von Gans dar. 1938 entschloss sich der frühere Oberurseler zur Emigration in die Schweiz. Finanziell unterstützt wurde er damals von seiner Schwester in London.

Ein Besuch bei Bekannten in Dänemark, kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs, wurde ihm zum Verhängnis. Dort wurde er nach der Besetzung des Landes verhaftet und am 6. Oktober 1943 im Alter von 74 Jahren nach Theresienstadt deportiert, wohin auch sein Vetter Arthur von Weinberg und seine Cousine Emma Bonn verschleppt worden waren.

Im Lager halb verhungert

Als das Schwedische Rote Kreuz ihn aus der Haft in Theresienstadt befreite, war Ludwig von Gans halb verhungert und durch die Haftbedingungen geistig verwirrt. Man brachte ihn zunächst nach Schweden und dann nach Dänemark zurück. Obgleich er sich um eine Rückwanderungserlaubnis nach Deutschland durch die Militärregierung bemühte, war ihm dies bis zum Zeitpunkt seines Todes nicht gelungen. Eineinhalb Jahre nach der Freilassung starb Ludwig von Gans 1946 in Kopenhagen durch Freitod.

An das Schicksal der Familie Gans und anderer Oberurseler jüdischer Herkunft erinnert die Initiative Opferdenkmal mit einer Gruppe von Marmorfiguren auf dem Hospitalhofplatz in der Altstadt. Für den Ausbau der Skulpturengruppe sammelt sie Spenden. Das Konto: Raiffeisenbank Oberursel , Kontonummer 69230,

Bankleitzahl 50061741
Dieser Artikel erschien am 26.01.2010 in der Frankfurter Rundschau

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